Unser letzter Tag auf dem Rheinsteig

Der nächste Morgen nahte, nachdem wir auch am 2. Etappentag so ca. gegen halb neun Uhr Abends im Bett lagen. Aber was soll ich sagen? Wir waren einfach wirklich müde und erledigt.

Wir hatten gestern beim Abendessen schon an Plan B und C gearbeitet, denn mein rechter Fuß verhiess nichts Gutes. Eine unscheinbare (da gar nicht so große) Blase direkt unterhalb der Wurzel des Fussnagels liess mich bei jedem Schritt zusammen zucken.

Ich hatte sie am Vorabend schon gereinigt, desinfiziert und abgepolstert und gehofft, dass die Nacht ihr Übriges tut, aber auch am Morgen liess mich der Gedanke, damit 19km zu laufen, aufstöhnen.

Also hatten wir uns entschieden, mit der Bahn nach St. Goarshausen zu fahren.

Aber ich ärgerte mich. Alle, mit denen wir gesprochen hatten, meinten, diese Etappe von Kaub nach St. Goarshausen wäre die „Königsetappe“. Die schönste zu laufen und zu gucken. Abwechslungsreich, anspruchsvoll aber auch Passagen zum Ausruhen dabei.

Und ausserdem gab es nach ca. 6km die Alpinerfahrung dieses Mal abwärts. Ich wollte unbedingt dieses Stück laufen. Meine pragmatische Schwester meinte nur immer wieder „Barbara, es nützt doch nichts“.

Ich humpelte also mit verkniffenem Gesicht zum Frühstück runter – so ein bißchen schmollend wie ein kleines Kind 🙂

Plan B und C gefiel mir überhaupt nicht! Aber eine Trumpfkarte hatte ich noch. Fast direkt neben dem Hotel war eine Apotheke. Wie passend. Hmm.. ich frage mich, was zuerst da war, das Wanderhotel oder die Apotheke. Ich entschied also, erstmal zu frühstücken, mich dann für einen Wandertag fertig zu machen, in die Apotheke und schauen, ob mir dort geholfen werden könne. Wenn nicht, hätte ich es immerhin versucht.

Nach der Entscheidung konnte ich auch mein Frühstück wieder geniessen. Auch hier wurden Brötchentüten gereicht, um sich Proviantbeutel für den Tag fertig zu machen. Die 10 Euro vom ersten Tag im Hotel Höhn fand ich immer unangebrachter.

Einmal mit Profis arbeiten

Nach dem Frühstück also die Wanderschuhe geschnürt (AUA!!) und ab in die Apotheke. Ich schilderte den netten Damen mein Problem und nach ein paar Fragen hin und her meinte ich „wollen Sie sich die nicht am einfachsten mal anschauen?“ (mit „die“ war meine Blase gemeint). Ich also ab ins Nebenzimmer und dort wurde meine Blase begutachtet und dann „verarztet“. Ich möchte nicht ins Details gehen, aber spätestens die antibiotische und schmerzstillende Salbe hat geholfen.

Dann noch schnell ein extra Blasenpflaster zum Abpolstern drauf, die Socken beim Anziehen genau kontrolliert, dass da nichts kittert und Falten schlägt und wieder zurück in die Schuhe!

Was soll ich sagen? DAMIT könnte ich definitiv die nächsten 19km wandern. Es war nicht so, als ob der Schmerz weg wäre, aber es war nur noch ein dumpfer Druckschmerz und die Salbe würde ihr übriges tun.

Meine Schwester wartete telefonierend draussen und fragte nur „laufen wir?“ Ich nickte und sagte „wir laufen!“

Im Frühtau zu Berge

Frühtau hatten wir nicht mehr, im Gegenteil, durch diese kleine Exkursion in die Apotheke sind wir etwas später losgekommen als geplant, aber immerhin jeweils auf zwei Beinen und nicht mit dem Zug.

das Start-Selfie kam etwas später am 3. Tag – schon nach dem ersten Aufstieg

Und so ging es vom Hotel links die Straße hoch und zum Glück hatte ich das Tourenbuch im Brustbeutel immer griffbereit, denn wenn ich nicht gelesen hätte, dass der Einstieg auf den Rheinsteig links die Stufen hoch ginge, wären wir glatt daran vorbei gelaufen.

Das sieht aus wie ein Zugang zu einem Privathaus. Naja, und so ganz falsch ist das auch nicht, denn es geht direkt einen Durchgang zwischen den Häusern hinauf. Eine Stufe nach der anderen. Ob die Anwohner auch irgendwann mal froh sind, wenn die Wandersaison vorbei ist?

Mit uns zusammen ging eine Gruppe von älteren Herrschaften (also noch älter als wir mit ja mittlerweile auch knapp 50), die hatten ihre Komoot App laufen (höre ich doch sofort, wenn die spricht – meine läuft ja auch immer mit). Und bei einem kleinen Plausch erzählten die dann, dass sie eigentlich für eine Beerdigung angereist wären und jetzt noch etwas spazieren gehen würden.

Und das die Rheinsteig-Steigungen hinauf.. Respekt!!

Nach dem Stufenaufstieg geht es quasi „entspannt“ den nächsten Kilometer in Serpentinen hinauf, bis wir über einen wunderschönen Höhenweig weiter durch die Dörscheider Heide gelaufen sind. Das ist eine tolle Landschaft!

Bald hätten wir auch den Ort Dorscheid erreicht, aber wir biegen vorher links ab und laufen quasi einmal um die Ortschaft herum und weiter geht es über Feld, Wald und Wiese. Da mussten wir ab und an mal ziemlich aufpassen, denn es geht ab und an mal fast zackig links oder rechts weg.

Nach knapp 6 Kilometer hatten wir dann den ersten schönen Rastplatz erreicht. Ein Aussichtspavillon direkt oberhalb des Rheins, den hatten wir kurz nach Kaub schon hinter uns gelassen. Wir hatten direkten Blick auf Oberwesel mit der am besten erhaltenen Stadtmauer am Rhein, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

Der Rheinsteig ist ein STEIG

Und dann endlich kam das Stück, auf das ich mich so gefreut hatte. Der seilgesicherte Abstieg über den Ross-Stein. Ohje, da sah schon irgendwie knackig aus, aber Alpinerfahrung bekommt man ja nicht von alleine. Hier mal ein Überblick, warum es RheinSTEIG heisst.

Es hiess also wieder: einen Schritt nach dem Anderen. Der Rucksack wurde nochmal zurecht geruckelt und die Wasserflasche fest gezurrt, damit nichts rausfällt und dann ging es los. Zum Glück ist das alles Schiefer und kein Schotter. Da rutscht nichts weg. Allerdings möchte ich das bei Regen nicht unbedingt laufen. Ich glaube, da wird Schiefer glatt wie Schmierseife.

So ein Stück verlangt wirklich viel Aufmerksamkeit und Konzentration. Ab und an hatte ich den Fuß schon gesetzt und dann gemerkt „nee, keine gute Idee – setz nochmal um“. Der Tipp dabei: immer mit dem ganzen Fuß aufsetzen, antesten ob alles hält und sicher ist, bevor man den anderen Fuß nachzieht.

Am Ende vom Abstieg wird der Rheinsteig wieder ein schöner Wanderweg durch den Wald. Und da mussten wir dann wieder gut aufpassen. Denn anstatt dem immer breiter werdenden Hauptweg zu folgen, biegt der Rheinsteig als kleiner Seitenweg links weg. Und natürlich geht es wieder bergab. Wieso auch nicht? Es ist ja nicht so, als ob wir das alles auch wieder hoch wandern müssten!

Kurzer Zwischenstand vom Fuß: der hält – die schmerzstillende Salbe hält noch.

Nach einem kleinen Zwischenhoch, ging es für die nächsten zwei Kilometer nur bergab in den Talgrund des Urbaches. So wie gestern auch war das nicht unser Lieblingsstück. Ich sage nur Knie und Hüftbeuger.

Und darf ich daran erinnern, dass ich das Tourenbuch bei mir hatte? Ich wusste, was nach diesem Abstieg kommt und mir schwante fürchterliches. Denn im Höhenprofil sah das so aus, als würde wir glatt die Wand im 90 Grad Winkel hoch gehen. Im Tourenbuch hiess es

„Hier überqueren Sie rechts den Bach und steigen gegenüber wieder steil hinauf“

Ich guckte also schon immer wieder rechts in Richtung Bach und sah den Anstieg dann auch.. fragte mich aber „wie sollen wir da rüber kommen?“. Und dann kam rechts wie die Böschung runter ein Miniweg zu einer kleinen Stahlbrücke. Einmal über den Bach blickte ich nach oben und dachte nur „Oh mein Gott“. Obwohl, ich glaube ich habe es nicht nur gedacht.. sondern auch das ein oder andere Mal auch gesagt. Das und noch viele andere nicht wiederholbare Dinge!

Mit drei Pausen zum Durchatmen nahmen wir also diesen Anstieg und dann sieht man oben Licht am Ende des Tunnels beziehungsweise eine flache Passage und denkt, man wäre angekommen.. sieht die Beschilderung, es geht links weiter – dreht sich und dann?

Pustekuchen.. nichts mit angekommen. Das war nur zum Antesten. Es gab einen ganz schmalen Durchgang zwischen Felswand und so einer Art Geländer oder auch Absperrung. Also wirklich so schmal, das der Bauch eingezogen werden musste (dabei habe ich doch gar keinen mehr!). Und weiter ging es hinauf.

Laut Tourenbuch sollten das nur noch 600 Meter sein aber die hatten es in sich. Ich weiß nicht mehr, wie viele kurze Pausen wir eingelegt haben, ich habe aufgehört zu zählen.

Und dann waren wir endlich oben angekommen. Ich habe mich noch nie so gefreut, einen normalen Waldweg zu sehen. Gegen jeden Instinkt haben wir nicht dort oben gleich Pause gemacht, sondern sind ein Stück weiter bergab gegangen, bis wir wieder oberhalb des Rheins angekommen waren. Inklusive Rastplatz.

Der Ausblick und das Schnittchen aus dem Proviantbeutel, den meine Schwester morgens fertig gemacht hatte, war die perfekte Belohnung.

Der Fuß wurde noch einmal desinfiziert und neu verpflastert – dann die Socken und Schuhe wieder gerichtet und nach kurzer Zeit ging es weiter. Wir hatten noch knapp neun Kilometer vor uns.

Loreley, wir kommen!

Die nächsten drei bis vier Kilometer ging bergauf und bergab durch den Wald, den Bornichbach immer in Hörweite. Mittlerweile folgten wir auch der Beschilderung zur Loreley. Und es kam, wie es kommen musste, bei den Bergabpassagen meldete sich mein Fuß. Es ist ja normal, dass der Fuß sich im Schuh etwas bewegt und beim Abstieg rutschte er immer vorne gegen den Rand. Am Anfang war es noch nicht so schlimm, aber bei jedem Stück bergab musste ich mich anstrengen, nicht zu humpeln.

Am Felsenkanzelhof angekommen hat man dann von einem Aussichtspunkt ein Stück abseits direkt an der Klippe eine tolle erste Aussicht auf die Loreley. Da kann man sich schon vorstellen, dass in dieser Enge das ein oder andere Schiff auf die Klippen lief und zerschellte oder den Verwirbelungen zum Opfer gefallen ist.

Man geht quasi einmal um den Felsenkanzelhof herum und gehen immer weiter in Richtung Loreley. Mittlerweile spürte ich jeden Schritt und auch meine Schwester neben mir merkte die letzten drei Tage in ihren Knien. Naja Ihr Lieben, wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten 🙂 Und dann kam jetzt auch noch ein langes Stück abwärts auf einer Asphaltstraße. Hatte ich schon erwähnt, dass weder Asphalt noch bergab so wirklich zu unseren Lieblingsstrecken gehörten?

Ab hier ging es wieder mal durch einen Weinberg. Das hatten wir ja heute noch gar nicht. Inklusive Weinlehrpfad. Alle 10 – 20 Meter war ein Schild angebracht, welches in die Geheimnisse von Reben, Trauben und der Erstellung von Wein einweihte. Nach dem dritten Schild ging ich immer langsam voraus. Ich konnte einfach nicht mehr stehen bleiben. Mir taten dermaßen die Füße weh, ich musste einfach immer weiter gehen.

Und dann kam endlich die letzte Abzweigung in Richtung Loreley. Wir konnten das Besucherzentrum von hier schon sehen. Der im Tourenbuch beschriebene Weg war leider gesperrt, dort wird super viel gebaut. Es wird sich für die BuGa 2029 (!!) vorbereitet.

Es sieht ein bisschen aus wie ein Touristenpark. Und es sind auch nicht alle davon begeistert, wie wir direkt im Ort später festgestellt haben.

Wir haben dann den direkten Weg vom Besucherzentrum zur Felsenspitze genommen – den sogenannten Strahlenweg. Der geht schnurgerade (gepflastert) auf die beflaggte Plattform an der Spitze des Felsens zu.

Und dann – tadaaaa, angekommen!!

Ja, wir waren am Ziel angekommen. Denn ab hier wurde „geschummelt“. Der restliche Weg nach St. Goarshausen wären noch mal vier Kilometer nur bergab. Deswegen haben wir uns entschieden, den Shuttlebus von der Loreley runter zum Bahnhof im Ort zu nehmen.

Uns reichte es – wir sind in den letzten drei Tagen knapp 52 Kilometer gewandert. Dann kommt es auf die letzten vier jetzt auch nicht mehr an. Wir hatten unsere erste Mehrtagestour bewältigt – zwischendurch sagte meine Schwester mal zu mir „Wir sind richtig gute Wanderpartner“. Und das kann ich nur zurück geben. Es hat super viel Spaß gemacht!

Auch in St. Goarshausen hatten wir wieder ein nettes kleines Wanderhotel. Sauber, einfach und am nächsten Tag mit einem tollen Frühstück.

Und wo wir schon beim nächsten Tag sind: der galt nur der Erholung. Nach einem „erzwungenen“ Spaziergang durch den Ort (hat aber nicht wirklich viel zu bieten) – das Schiff zurück nach Rüdesheim fuhr erst um kurz nach 12 Uhr Mittags – und einem Abschiedsmilchkaffee auf der Rheinterasse ging es für uns wieder in Richtung Heimat.

Und seit dem Wochenende ist mein Wanderrucksack mit zwei neuen Pins bestückt – mal schauen, wie viele noch dazu kommen. Denn das war bestimmt nicht meine letzte Etappe auf dem Rheinsteig und auch bestimmt nicht mein letzter Fernwanderweg. Meine Schwester darf den nächsten aussuchen..

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