Trauer – das Leben davor und danach

Heute wird es sehr persönlich.

Ich habe tatsächlich lange überlegt, aber wenn mir etwas so drängend im Kopf und im Herz rumgeistert, dann muss ich darüber schreiben.

Jeder von uns hat diese Ereignisse, die das Leben in „davor“ und „danach“ einteilen.

Bisher waren das bei mir nur tolle Ereignisse. Es stellten sich bisher Fragen wie „war mein Neffe da schon geboren“ oder „war das bevor oder nachdem ich in den USA gelebt habe“? „Habe ich da schon in Mailand gelebt“? So etwas in der Art.

Seit diesem Jahr teilt sich mein Leben in „vor dem 17. Juni 2018“ und „nach dem 17. Juni 2018“. An dem Tag ist mittags mein Lebensgefährte nach kurzer und heftiger Krankheit verstorben. Ich habe die ganze Nacht an seinem Krankenbett gesessen, welches dann um 11.48 Uhr, kurz nachdem wir die Maschinen haben abstellen lassen, zu seinem Totenbett geworden ist. Es war  mir wichtig, bei ihm zu sein. Ihn nicht alleine zu lassen. Die Vorstellung, dass er alleine sterben würde, war für mich der pure Horror. Kein Mensch sollte alleine das Leben hinter sich lassen. Und er schon gar nicht, solange ich für ihn da sein konnte.

Und auch wenn die anderen Ereignisse nach und nach etwas verschwimmen, weiß ich, dass diese Zäsur meines Lebens  nicht verschwinden wird.

Es wird immer das Leben DAVOR und das DANACH geben. Und das Leben danach haut mich um. Wenn einem die Trauer den Boden unter den Füßen wegreisst. Ich fühle nichts, Trauer, Wut, Wehmut, Schuld und Verwirrung.. nicht immer in dieser Reihenfolge -und auch nicht immer alles voneinander getrennt.

Nichts, wenn ich einfach nur stumm auf meiner Couch sitze und blind in den Raum starre, nicht wissend, was ich gerade noch gedacht habe.

Trauer, wenn ich mal wieder realisiere, dass ich ihn nie wieder sehen werde.

Wut eigentlich auf alles und jeden – übrigens auch auf ihn, dass er mich einfach alleine gelassen hat.

Wehmut, wenn ich mich an unsere gemeinsame Zeit zurück erinnere. An die schönen wie auch an die nicht so schönen Momente.

Schuld, wenn ich darüber nachgrübele, ob und zu welchem Zeitpunkt mir hätte auffallen können beziehungsweise müssen, dass er wohl seit Wochen eine Lungenentzündung verschleppt hat.

Und Verwirrung – manchmal bin verwirrt, dass das Leben um mich herum einfach so weiter geht. Dass die Erde sich weiterdreht, als ob nichts passiert wäre. Wie kann das denn sein, wenn meine kleine Welt doch so schwer erschüttert wurde?

Und da ich mit dieser Trauer nicht so gut umgehen kann, bin ich bis auf weiteres krank geschrieben und werde demnächst auch psychotherapeutisch begleitet. Und zum Glück habe ich eine tolle Hausärztin, die mit Trauerbewältigung sehr normal und selbstverständlich umgeht.

Ich höre öfter mal „na, irgendwann musst Du ja auch mal wieder arbeiten gehen“ oder „willst Du nicht mal wieder arbeiten gehen?“.

Müssen muss ich übrigens nichts und eine Frage von wollen ist das auch nicht. Ich könnte gar nicht. Zum Beispiel habe ich zur Zeit eine Aufmerksamkeitsspanne von nur ca. 3 Minuten. Oder ich weiß gleich nicht mehr, was ich gerade eben noch machen wollte. Oder die einfachsten Entscheidungen, die ich nicht treffen kann.

Übrigens ist es mir sch** egal, was wir morgen essen möchten!

Das Schreiben dieses Blogposts hat übrigens 3 Tage gedauert.

Und ich bin der Überzeugung, dass mein Arbeitgeber von mir 100% meiner Leistung erwarten kann, wenn ich „gesund“ zur Arbeit komme.

Auch das ist etwas, mit dem ich nur schwer umgehen kann. Dass ich nicht so kann, wie ich gerne möchte. Als ich zu meinem Geburtstag zu Hause bei meinen Eltern war, erzählte ich meiner Mama, dass das schlimmste für mich gerade die Tatsache wäre, dass ich nicht mehr lesen kann. Sie guckte mich ganz irritiert an „Du? Die seit 40 Jahre nicht mehr ohne ein Buch in der Hand gesehen wurde?“. Ja, ich! Denn ich kann mich nicht konzentrieren – -siehe die Aufmerksamkeitsspanne oben.

Und was macht  meine Mama? Sie geht in einen Buchladen und bittet die Verkäuferin um eine Empfehlung für ihre Tochter, die nie ohne ein Buch in der Tasche gesehen wird,  jetzt kurz vor einem Burnout steht und nicht mehr als 3 Minuten am Stück lesen kann.

Und womit kommt sie zurück? Mit einem tollen Buch voller witziger und skuriller Kurzgeschichten. Meine Mama ist manchmal so süß!!

Und so schlägt das Schicksal manchmal zu. Da hat man seine Hoffnungen und Träume gefunden und auf einmal ist alles anders – DANACH!

 

4 Gedanken zu “Trauer – das Leben davor und danach

  1. Liebe Barbara, das tut mir so leid, mit wie viel Hochachtung habe ich Deine Posts verfolgt, die Deinen Weg beschrieben haben, jetzt zu lesen, dass es dazu noch in Deinem direkten Umfeld so viel Schmerz gab… Mein herzliches Beileid! Den Zustand, den Du beschreibst kenne ich leider auch im nahen Umfeld, und wie Du es formulierst, ist das nicht eine Frage des „Wollens“… und sicher schwer verständlich, wenn man das noch nicht erlebt hat. „Jetzt muss aber mal…“ ist da wirklich keine Hilfe. Finde erst wieder die Energie, die Du brauchst, bevor Du irgendetwas musst! Wenn Du magst können wir gerne über das „davor“ sprechen und das „danach“ mit freudiger Erwartung aufladen… wenn Du magst.
    Harald

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